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Sanktionen – bitte nicht zu viel erwarten!

Der inhaftierte Kreml-Kritiker Alexej Nawalny soll seine rund zweieinhalbjährige Haftstrafe laut Medienberichten in der „Besserungskolonie Nummer 2“ (IK-2) der Strafvollzugsbehörde von Wladimir absitzen. Auf Papier sind die Haftbedingungen dieser Anstalt „mit allgemeinem Strafvollzug“ weniger hart als in anderen Lagern. Anwälte von Insassen beschreiben IK-2 jedoch als ein Straflager, das auf die „totale Vernichtung des Menschen“ ausgelegt sei.

Dass die Wahl gerade auf diese Haftanstalt rund 100 Kilometer östlich von Moskau fiel – das bewertet Kirill Rogow als persönliche Rache des russischen Präsidenten. In seinem Blog auf Echo Moskwy schreibt der Politologe, dass Nawalnys Verlegung in die berüchtigte „Folterkolonie“ nicht nur deshalb möglich war, weil es im Land keinen breiten Protest gegen die Verurteilung gab. „Es war auch das Ergebnis der diplomatisch beschämenden Mission von Josep Borrell und der EU als Ganzes.“ 

Die EU wendet voraussichtlich heute erstmals ihr neues Sanktionsregime für Menschenrechte an. Dabei sollen einzelne Silowiki wegen Vorgehens gegen Nawalny mit Vermögenssperren und Einreiseverboten bestraft werden. 
Ähnlich wie Rogow kritisieren einige Liberale und Oppositionelle die neuen EU-Sanktionen als zahnlos. Fjodor Krascheninnikow – der gemeinsam mit Nawalnys Wahlkampfleiter Leonid Wolkow ein Buch geschrieben hat – sieht das etwas anders: Auf Republic erklärt der Politologe die grundsätzliche Logik von Sanktionen und deren (ambivalente) Folgen.  

Источник Republic

Die Bekanntgabe des EU-Sanktionspakets hat für große Enttäuschung unter den Regimekritikern gesorgt. Diese hatten sich selbst erfolgreich davon überzeugt, es könne westliche Sanktionen geben, die alle Probleme Russlands auf einen Schlag lösen. Und die außerdem Wladimir Wladimirowitsch, wenn schon nicht zum Weinen und zum Rücktritt, dann doch zumindest zur Freilassung Alexej Anatoljewitsch Nawalnys bringen würden und außerdem dazu, mit den ganzen Repressionen aufzuhören. 

Keine Frage, die europäischen Sanktionen hätten deutlich schärfer ausfallen und einen größeren Kreis von Personen treffen können, die an der Tyrannei beteiligt sind. Aber ist das Ergebnis wirklich so schlecht? Oder steckt hinter den zaghaften Sanktionen vielleicht doch mehr als nur die Feigheit europäischer Politiker? 

Die Sanktionen – aus den unterschiedlichen Gräben heraus betrachtet

Die Sichtweise, die sich wohl am leichtesten nachvollziehen lässt, ist die der russischen Bürger, die mit dem gegenwärtigen Putin-Regime nicht einverstanden sind.

Für sie wird immer deutlicher, dass Sanktionen nur sinnvoll sind, wenn sie sich gegen konkrete Personen richten, die vom bestehenden System profitieren – am besten gegen diejenigen, die dem unabsetzbaren Leader besonders nahestehen. Denn die „sektoralen Sanktionen“ treffen die russische Wirtschaft. Den daraus resultierenden Schaden gibt die gegenwärtige Elite gekonnt an die einfachen Bürger weiter: Sie sind es, die leiden, während die Eliten ihre Verluste kompensieren, das sollte jedem klar sein. Auch ein Aus der unseligen Pipeline Nord Stream 2 wäre schlimmstenfalls eine psychologische Niederlage und würde niemandem aus Putins Umfeld tatsächlich das Leben schwer machen; und falls doch, finden sich für die Geschädigten andere oder gänzlich neue lukrative Projekte.

Ein Aus der unseligen Pipeline Nord Stream 2 wäre schlimmstenfalls eine psychologische Niederlage

Manche meinen immer noch, dass eine allmähliche Verschlechterung des Lebensstandards die Bürger zu der Einsicht bringt, dass sich politisch etwas ändern muss. Diese Theorie mag überzeugend klingen, erweist sich bei näherer Betrachtung allerdings als eine Abwandlung der berühmten Theorie vom Kühlschrank, der den Fernseher besiegt.  

Zeit, sich von ihr zu verabschieden.

Erstens: Nichts ist gut an der Vorstellung, dass es allen zunehmend schlechter geht. Die Propaganda lässt sich die Wortfolge „Sanktionen gegen Russland“ nicht umsonst auf der Zunge zergehen, und erklärt damit, wer da genau Russland und jedem seiner Bürger schadet. Man muss schon sehr fanatisch oder zynisch sein, um allen, einschließlich sich selbst, den Abstieg in die Armut zu wünschen. Außerdem sollten wir nicht vergessen, dass Putin nicht ewig ist. Wenn die Wirtschaft bei seinem Abgang am Boden liegt, schadet das weniger ihm als uns – und zwar für viele Jahre.

Nichts ist gut an der Vorstellung, dass es allen zunehmend schlechter geht

Zweitens: Wenn sich der Lebensstandard zunehmend verschlechtert, beschleunigt das nicht den Anstieg der oppositionellen Gesinnung. Die Menschen würden sich vielmehr an die neuen Lebensumstände gewöhnen und nur immer mehr Kraft darauf verwenden, ihre alltäglichen und finanziellen Sorgen zu bewältigen. Folglich bliebe für politische Aktivität wenig Zeit, und auch die Risikobereitschaft würde nicht gerade größer. 

Außerdem: Je ärmer der Durchschnittsbürger, desto weniger bedarf es, um ihn mit Almosen zu kaufen oder mit einem Jobverlust einzuschüchtern, sollte er an Protesten teilnehmen oder sich anderweitig ungebührlich verhalten.

Wenn Wirtschaftssanktionen also eine schnelle und sichtbare Wirkung haben sollen, müssen sie extrem hart sein.

Was könnte das sein? Außer dem Ausschluss aus dem SWIFT-System fällt einem wenig ein. Die Folge wäre eine Zerstörung oder zumindest eine schwerwiegende Schädigung des Bankensystems. Diese Maßnahme ist derzeit kaum denkbar – und das ist auch gut so. 

Die Sichtweise des Westens

Wie sehen die westlichen Staats- und Regierungschefs die Situation, und warum sind sie, gelinde gesagt, so vorsichtig?

Erstens: Sie möchten sich nicht selbst schaden. Die konfrontative Rhetorik der russischen Regierung, die in letzter Zeit immer häufiger erklingt, hat eine ziemlich klare Botschaft: Als Krieg betrachtet der Kreml nicht nur die gute alte Überschreitung einer territorialen Grenze durch eine feindliche Armee, sondern alles, was erheblichen Schaden anrichtet. Das kann man natürlich für einen Bluff halten, aber wer möchte schon das Risiko auf sich nehmen, sich in solch heiklen Fragen zu irren? Jeder Staats- und Regierungschef eines demokratischen Landes ist sich darüber im Klaren, dass er keinen Dank ernten wird, wenn seine wirtschaftspolitische Entscheidung zu einem militärischen Konflikt mit Russland führt, noch dazu ist völlig unklar, wie das alles ausgehen würde. 
Der Ausschluss Russlands aus dem SWIFT-System könnte im Kreml durchaus als eine solche Kriegshandlung gedeutet werden, mit allen erwartbaren Konsequenzen. Genau darauf spielt der Kreml unentwegt an. Und genau deswegen wird es in nächster Zukunft auch keinen Ausschluss geben.

Als Krieg betrachtet der Kreml alles, was erheblichen Schaden anrichtet

Zweitens: In der Vorstellung von westlichen Staats- und Regierungschefs sieht die Welt ganz anders aus, als wir oder unsere Regierung sie sehen. Ihnen fällt es schwer, zu glauben, dass ein Regierungschef im 21. Jahrhundert sein Land in die Armut und Isolation treiben könnte, nur um seine Macht zu erhalten. Einfacher ist es, sich tröstende Theorien auszudenken, dass alles nicht so schlimm sei oder man im Kreml schon zur Vernunft kommen und sagen werde, dass das alles nur ein Witz gewesen sei, oder dass die Sache sich irgendwie von allein klärt. 
Sich selbst erheblich zu schaden, nur um jemand anderen zu verärgern – das ist im Westen kein gängiges Verhaltensmuster. Genau das tut die russische Regierung aber und dies hat obendrein einen demoralisierenden Effekt: Was sollen Sanktionen bringen, wenn eine Regierung den eigenen Bürgern mit Gegensanktionen sogar mehr schadet? 

In der Vorstellung von westlichen Staats- und Regierungschefs sieht die Welt ganz anders aus, als wir oder unsere Regierung sie sehen

Drittens: Die in westlicher Rechtstradition erzogenen Staats- und Regierungschefs Europas und der USA können nicht so einfach zustimmen, dass Milliardäre aus dem Umkreis des russischen Präsidenten oder gar ihre Familienmitglieder mit Sanktionen belegt werden, nur weil sie Putin nahestehen. Denn das gilt es juristisch erst einmal nachzuweisen. 

Und leider ist das auch richtig so: Denn heute wird einer wegen einer vermeintlichen Nähe zu Putin mit Sanktionen belegt, morgen ein weiterer, weil er irgendjemand anderem nahesteht – ohne Beweise im westlichen Sinne des Wortes. Das kann ziemlich ausufern, dieses Kapitel hat Europa bereits hinter sich und möchte es nicht wiederholen. Man braucht also Beweise, und die wird es früher oder später zweifellos geben.

Viertens: Es kann durchaus sein, dass die europäischen Staats- und Regierungschefs die verhängten Sanktionen als hart empfinden. Um den Unterschied in der Herangehensweise zu verstehen, sollten wir uns ein Beispiel aus einem anderen Bereich ansehen: Aus Sicht eines Durchschnittsrussen verbüßt der Massenmörder Breivik seine Gefängnisstrafe unter so komfortablen Bedingungen, dass so mancher unserer Landsleute gar nicht versteht, worin denn eigentlich die Strafe liegt. In Norwegen dagegen, und nicht nur dort, sieht man den Sinn einer Gefängnisstrafe nicht in der täglichen Demütigung – durch schlechte Lebensbedingungen oder durch die Schikane der Wärter und Mitinsassen –, sondern im Freiheitsentzug und der Isolation von der Gesellschaft. Aus Sicht der norwegischen Gesellschaft wurde Breivik also hart bestraft: Ihm wurde die Freiheit entzogen. 

Es kann durchaus sein, dass die europäischen Staats- und Regierungschefs die verhängten Sanktionen als hart empfinden

Genauso ist es mit den Sanktionen: Aus ihrer Sicht haben die europäischen Politiker etwas sehr Gravierendes getan. Genauso wie unsere Regierung und Propaganda davon ausgeht, dass es im Rest der Welt ungefähr so zugeht wie in Russland, nur dass alle anderen mehr heucheln, so geht man auch in Europa naiverweise davon aus, dass Russland in etwa wie ein gewöhnliches europäisches Land ist, nur dass es merkwürdigerweise „in Richtung Autoritarismus driftet“, wie Josep Borell es ausdrückte. Man kann ihn und viele andere verstehen: Es fällt ihnen schon schwer einzuräumen, dass Russland in den 2020er Jahren „in Richtung Autoritarismus driftet“, wie sollen sie da akzeptieren, dass wir den Autoritarismus längst hinter uns gelassen haben und rasend schnell auf ganz andere „ismen“ zusteuern?

Die Sichtweise des Kreml

Die Bekanntgabe von personenbezogenen Sanktionen gegen einige Silowiki beunruhigt wohl kaum jemanden im Kreml.

In Europa mag ein Justizminister oder Chef des Sicherheitsdienstes in erster Linie eine souveräne Person mit einem Privatleben und eigenen Interessen sein. In Russland aber sind das austauschbare Beamte, deren Hauptqualifikation in ihrem Gehorsam gegenüber der Obrigkeit besteht. Menschen, die sich weigern könnten, eine Anordnung von oben auszuführen oder bei der leisesten Andeutung, ihren Ruf und ihre Zukunft zu opfern, gibt es im russischen Beamtentum gar nicht: Sie wurden schon auf den untersten Stufen der Karriereleiter ausgesiebt. 

Fraglich ist auch, ob die Silowiki, die mit den Sanktionen belegt wurden, überhaupt noch Konten oder Immobilien in Europa haben – ich vermute, nein. Aber selbst wenn sie solche verlieren sollten, würde der Schaden zweifelsohne kompensiert – aus dem Staatsbudget versteht sich, also auf Ihre und auf meine Kosten.

Bedeutet das, dass man im Kreml unbesorgt ist und tatsächlich findet, es sei alles halb so wild? Ungeachtet der zur Schau getragenen Prahlerei wird man wohl anerkennen müssen, dass die verhängten Sanktionen für Putin und sein Umfeld durchaus unangenehm werden dürften – weniger durch ihre aktuellen, als durch langfristige und fundamentale Konsequenzen.

Man muss wohl anerkennen, dass die verhängten Sanktionen für Putin und sein Umfeld durchaus unangenehm werden dürften

Erstens: Es kann ihnen nicht gleichgültig sein, dass die russische Opposition zu einem eigenständigen Akteur auf der internationalen Bühne avanciert ist. Noch nie hat jemand so vehement und wirkungsvoll das Recht Putins und der offiziellen Regierungsvertreter infrage gestellt, Russland im Ausland zu repräsentieren. Nicht nur, dass das Schicksal eines russischen Oppositionsführers zu einem festen Punkt auf der Tagesordnung westlicher Politiker geworden ist, seine Mitstreiter sind auch noch unmittelbar an der Gestaltung der europäischen Sanktionspolitik beteiligt. Wir alle beobachten eine verblüffende Situation: Nawalnys Mitstreiter treffen sich in Brüssel mit den führenden europäischen Diplomaten, während der russische Außenminister und seine Sprecherin offenbar zu innenpolitischen Propagandisten umgeschult wurden, keinen besonders guten obendrein. 

Zweitens ist das derzeit nur die erste Anwendung des neuen Sanktionsmechanismus, der von der EU entwickelt und beschlossen wurde, um bei Menschenrechtsverstößen gegen die Verantwortlichen vorzugehen. Einmal in Gang gesetzt, wird dieser Mechanismus nun permanent wirken. Angesichts dessen, wie unserer Regierung mit Menschenrechten umgeht, ist eine Erweiterung der Sanktionsliste also nur eine Frage der Zeit. Weitere gezielte Bemühungen der Opposition sowie ihre Zusammenarbeit mit der europäischen politischen Gemeinschaft und Expertenkommissionen dürften im Kreml Unbehagen verursachen. 

Früher oder später werden die Sanktionen also unweigerlich sowohl Einzelpersonen als auch breitere Personengruppen treffen, die vom gegenwärtigen Regime profitieren – genau wie Nawalny es ursprünglich gefordert hat.

Doch ganz gleich, ob sich die westlichen Sanktionen gegen Einzelpersonen oder gegen einen bestimmten Wirtschaftssektor richten, sie allein werden nichts ändern. Das sollten wir nicht vergessen. Im besten Fall können sie als eine äußere Ergänzung wirken zu dem Druck von innen, den wir, die russischen Bürger, auf das politische System ausüben.
 

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Sanktionen

Als Reaktion auf die Annexion der Krim und Russlands militärisches Eingreifen in der Ostukraine beschlossen sowohl die USA als auch die EU im Jahr 2014 diplomatische und wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland. Diese umfassten zunächst nur Einreiseverbote für unmittelbar in den Konflikt involvierte russische Politiker und Wirtschaftsführer sowie das Einfrieren von Vermögenswerten. Hinzu kam ein umfassendes Wirtschaftsembargo der annektierten Krim. Wegen russischer Unterstützung für die in der Ostukraine kämpfenden Milizen beschloss die EU Ende Juli und im September 2014 einen weitgehenden Finanzierungsstopp für russische Staatsbanken, Öl- und Rüstungskonzerne, sowie Einschränkungen beim Export von militärischen und militärisch verwendbaren Gütern.

Im August 2017 unterschrieb der US-amerikanische Präsident Trump zudem ein vom Kongress ausgearbeitetes Gesetz, das die Sanktionen gegen Russland verstetigte und verschärfte. Die US-Linie unterscheidet sich bei den Sanktionen seitdem von der EU-Politik. Der US-Präsident ist nun verpflichtet, auch sekundär zu sanktionieren. Wenn ausländische Unternehmen bei der Umgehung von Sanktionen helfen, laufen sie nun Gefahr, selbst sanktioniert zu werden (US-amerikanischen Unternehmen drohen ohnehin strafrechtliche Konsequenzen). Am 6. April 2018 beschlossen die USA neue Sanktionen gegen russische Unternehmen und Individuen, darunter die drei Oligarchen Oleg Deripaska, Suleiman Kerimow und Viktor Wexelberg. Diesem Schritt waren keine unmittelbaren Aggressionen Russlands vorausgegangen. Die weit gefasste Begründung für die Maßnahme nannte die Besetzung der Krim, die Destabilisierung der Ostukraine, die Versorgung von Syriens Regime mit Waffen, die Einmischung in westliche Demokratien und Hackerangriffe. Die Finanzmärkte in Moskau taumelten, der Rubel verlor zwischenzeitlich rund zehn Prozent an Wert. Manche Analysten sprachen vom Schwarzen Montag an der Moskauer Börse.

Als Reaktion auf die Angliederung der Krim beschlossen sowohl die USA als auch die EU1 im März 2014 wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland. Inhalt dieser ersten Stufe der Sanktionen waren vor allem Einreiseverbote und das Einfrieren von Vermögen.2 In den folgenden Monaten wurde die Liste der betroffenen Individuen mehrfach ausgeweitet. Die USA zielten dabei früh auch auf einflussreiche Unterstützer Putins (und die Bank Rossija)3, während die EU zunächst unmittelbar in den Konflikt involvierte Personen mit Sanktionen belegte. Geschäfte mit auf der Krim ansässigen Unternehmen wurden untersagt.4

Aufgrund russischer Unterstützung für die in der Ostukraine kämpfenden Milizen erließ die EU Ende Juli 2014 ein separates Sanktionenpaket, das die Finanzierung russischer Staatsbanken in Europa einschränkt. Im September wurden diese Einschränkungen dann auf russische Rüstungs- und Ölkonzerne ausgedehnt. Daneben wurde der Export von Erdöl-Technik sowie von militärischen und militärisch einsetzbaren dual use-Gütern nach Russland verboten.5 Die Sanktionen wurden im August 2014 von Russland mit Gegensanktionen beantwortet, die vor allem die Einfuhr westlicher Agrarprodukte betreffen. Da die Beschlüsse des Abkommens von Minsk zur friedlichen Regulierung des Konflikts in der Ostukraine bislang nicht umgesetzt sind, verlängert die EU turnusmäßig ihre Wirtschaftssanktionen.6

Die US-Sanktionen gegen die Bank Rossija machten sich schnell bemerkbar: Von dieser Bank ausgegebene Visa- und Mastercard-Kreditkarten wurden gesperrt.7 Daneben musste die russische Lowcost-Airline Dobrolet, mit der die Krim an Russland angebunden werden sollte, in Folge der westlichen Sanktionen aufgelöst werden.8 Fehlende Technik aus dem Westen zwang den Ölproduzenten Rosneft, Bohrprojekte um Jahre zu verschieben9. Die von den Kapitalbeschränkungen betroffenen russischen Konzerne konnten ab Herbst 2014 auslaufende Kredite nicht mehr durch neue, langfristige Anleihen aus der EU oder den USA ersetzen. Ausländische Investoren legten auch Projekte in nicht sanktionierten Branchen auf Eis.10 Durch die Überlagerung mit dem Sinken des Ölpreises lassen sich die Folgen der Sanktionen nur sehr schwer quantifizieren. Verschiedenen Schätzungen zufolge reduzieren die Sanktionen das russische BIP um 0,4 Prozent bis 0,6 Prozent (laut einer Studie russischer Ökonomen) beziehungsweise 1 Prozent bis 1,5 Prozent pro Jahr (laut Internationalem Währungsfond).11

Tragen die mehrmalig verlängerten Sanktionen wie geplant zur Deeskalation in der Ukraine bei? Die finanziellen Einschränkungen beschleunigten Ende 2014 den Kapitalabfluss aus Russland, was den Druck auf den Rubel erhöhte. Außerdem zwangen sie den Kreml zur Unterstützung der betroffenen Banken und Unternehmen und belasteten damit den Staatshaushalt und die Reserven. Sie entfalteten vor allem in der Anfangsphase Druck und lasten seither auf den Wachstumsaussichten.

Die im August 2017 und April 2018 beschlossenen Verschärfungen der US-Sanktionen könnten für Russland aber noch schmerzhafter werden. Die wirtschaftlichen Kosten für weitere Aggressionen in der Ukraine wären außerordentlich hoch – das dürfte im Kreml angekommen sein. Das Aufheben der Sanktionen gegen Russland würde die wirtschaftliche Lage hingegen nur mittel- oder langfristig verbessern12, was ihren Wert als Verhandlungsmasse einschränkt.13


Zum Weiterlesen: The Economic Sanctions Against Russia, Swedish Defense Research Agency, September 2015

1.Einige weitere Länder führten ebenfalls Sanktionen ein, darunter die Ukraine, Kanada und Japan. Für Kanada und Japan siehe: Oxenstierna, Susanne / Olsson, Per (2015): The economic sanctions against Russia: Impact and prospects of success
2.Official Journal of the European Union: Council Decision 2014/145/CFSP
3.The New York Times: Private Bank Fuels Fortunes of Putin's Inner Circle
4.Official Journal of the European Union: Council Decision 2014/386/CFSP
5.Official Journal of the European Union: Council Decision 2014/512/CFSP
6.Zuletzt im März 2017. European Council: EU prolongs sanctions over actions against Ukraine's territorial integrity until 15 September 2017
7.BBC: Visa and MasterCard block Russian bank customers
8.World Airlines News: Dobrolet is forced to shut down due to European sanctions
9.The Moscow Times: Russia's Rosneft Won't Resume Sanctions-Struck Arctic Drilling Before 2018 – Sources
10.Forbes: Major Investments At Risk As Russian Sanctions Become More Nerve Wracking, wobei einige Investoren den günstigen Rubel als Chance sahen, siehe dazu: The Wall Street Journal: Schlumberger to Pay $1,7 Billion for Stake in Russia᾿s Eurasia Drilling
11.Vedomosti: Ėkonomika Rossii lišilasʼ 8,4 % rosta
12.Auch ohne Sanktionen würden die russischen Unternehmen derzeit kaum westliches Kapital finden.
13.Im Gegensatz zu den Export-Sanktionen gegen den Iran, deren Aufheben unmittelbar wirtschaftlich spürbar ist.
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