Dimitri Medwedew ist seit Januar 2020 stellvertretender Vorsitzender des Sicherheitsrates. Er war von 2012 bis 2020 Premierminister und bekleidete von 2008 bis 2012 das Amt des Präsidenten der Russischen Föderation. Medwedew gehört zu den engsten Vertrauten von Präsident Putin und nimmt, nicht zuletzt als Vorsitzender der Regierungspartei Einiges Russland, eine wichtige Rolle im politischen Systems Russlands ein.
Der aus einer Leningrader Professorenfamilie stammende Medwedew (geb. 1965) absolvierte sowohl sein Jurastudium, als auch die anschließende Promotion an der renommierten Staatlichen Universität Leningrad. Neben seiner Lehrtätigkeit an der nun in Sankt Petersburger Staatliche Universität umbenannten Hochschule war der auf Privatrecht spezialisierte Jurist auch als Berater von Anatoli Sobtschak im Stadtparlament und später im Komitee für Außenwirtschaftsbeziehungen tätig, das bis 1996 von Wladimir Putin geleitet wurde.
Putins Vertrauter
Als Leiter des Wahlkampfstabes trug Medwedew zum Erfolg von Putin bei der Präsidentschaftswahl 2000 bei. Bis heute ist das Verhältnis der beiden Petersburger Juristen durch gegenseitige Loyalität gekennzeichnet. Neben hochrangigen Posten in der Präsidialadministration und der Regierung war Medwedew von 2000 bis 2008 auch Vorstandsvorsitzender des Gasmonopolisten Gazprom. Sahen 2007 Experten und Meinungsumfragen noch den Ex-KGBler Sergej Iwanow als wahrscheinlichsten Präsidentschaftskandidaten an, so sprach sich Wladimir Putin im Dezember 2007 für Medwedew als favorisierten Nachfolger aus. Mit seinem Slogan „Freiheit ist besser als Unfreiheit“ und dem Schwerpunkt auf Modernisierung waren im In- und Ausland große Hoffnungen mit Medwedews Amtszeit verbunden. Insgesamt muss aber bilanzierend festgehalten werden, dass die Wirklichkeit weit hinter den ursprünglich formulierten Politikzielen zurückgeblieben ist.1
Reformvorhaben
Als Programmschriften seiner Reformvorhaben gelten der Artikel „Russland, vorwärts!“2 und seine Reden an die Föderalversammlung. Im Hochtechnologiebereich sollten dabei Innovationen in den Bereichen Energieeffizienz, Medizin und Pharmazie, Atomenergie, Informationstechnologien sowie Raumfahrt und Telekommunikation angestrebt werden, wobei Leuchtturmprojekte wie die Staatskorporation Rosnano und das Innovationszentrum Skolkowo bisher nur wenige Erfolge vorzuweisen haben. Um Rechtsnihilismus und Korruption zu bekämpfen, brachte Medwedew einige Reformen in Wirtschaft und Justizwesen in Gang. Ein Teilerfolg war zumindest, dass der Druck auf kleine und mittelständische Unternehmen durch Steuerkontrollen (s. a. Steuerpressing) bis 2011 abnahm. Medwedews Polizeireform hingegen wird von den meisten Beobachtern als gescheitert bewertet.3 Einige Reformen, wie das Bestreben, Vorstände von Staatsunternehmen mit Ökonomen anstatt mit Staatsbediensteten zu besetzen, wurden wieder rückgängig gemacht. Andere, wie Einkommenserklärungen von hochrangigen Beamten, durch Schlupflöcher und mangelnde Umsetzung konterkariert. Bleibende Wirkung entfalten die Wiedereinführung der Gouverneurswahlen, die Entkoppelung und Verlängerung der Amtszeiten der Staatsduma auf fünf und die des Präsidenten auf sechs Jahre sowie die Nominierung des Vorsitzenden des Verfassungsgerichts und dessen Stellvertreter durch den Präsidenten.
Außenpolitisch war Medwedews Präsidentschaft durch entspannungspolitische Initiativen gekennzeichnet, die auch auf wirtschaftliche Konvergenz Russlands mit dem Westen abzielten. So wurde auf dem Petersburger Dialog 2008 eine deutsch-russische Modernisierungspartnerschaft4 lanciert, 2009 folgte der „reset“ mit den USA, 2010 die „partnership for modernisation“ mit der EU. Der im August 2012 in Kraft getretene WTO-Beitritt Russlands wurde ebenfalls noch unter Medwedew auf den Weg gebracht. Diese auf internationale Verflechtung abzielenden Ansätze sind spätestens seit der sogenannten Ukraine-Krise bis auf Weiteres gescheitert.
Insgesamt zeigen Untersuchungen, dass Medwedew, trotz seiner untergeordneten Stellung im Tandem, bis zur Rokirowka durchaus Signalwirkung5 auf die politische Elite entfaltete und sich diese bis zu einem gewissen Grade an dessen Politik orientierte. Nachdem im September 2011 bekannt wurde, dass Medwedew nicht mehr zur Wiederwahl antreten würde, verloren er und die ihm nahestehenden Elitenakteure jedoch kontinuierlich an Einfluss6.
Als Premierminister büßte er auch an Ansehen ein. Die regelmäßig vom unabhängigen Meinungsforschungsinstitut Lewada durchgeführten Umfragen zeigten zunächst einen Abfall seiner Zustimmungswerte, bevor sie wieder stiegen, gleichzeitig mit der Beliebtheit des Präsidenten.7
Korruptionsvorwürfe
Ihren erneuten Rückgang markierte Anfang März 2017 ein Youtube-Video des vom Oppositionspolitiker Alexej Nawalny gegründeten Fonds für Korruptionsbekämpfung (FBK). Darin fanden sich zahlreiche Hinweise auf mögliche Korruption im direkten Umfeld von Medwedew. Demnach deuten Auszüge aus Firmenregistern darauf hin, dass der Premierminister Immobilien im Gesamtwert von 1,1 Milliarden Euro besitze. Deklariert als Eigentum von angeblich gemeinnützigen Stiftungen, sollen diese Immobilien aus vermeintlichen Spenden einiger russischer Oligarchen wie Alischer Usmanow finanziert worden sein.
Vor dem Hintergrund dieses Skandals brachte Nawalny landesweit zehntausende Menschen auf die Straße. Unter dem Motto „Dimon otwetit“ (dt. „Dimon wird antworten“) forderten sie den Rücktritt des Premiers.
Eine offizielle Reaktion blieb allerdings aus, und so konnte Medwedew auch nach der Präsidentschaftswahl 2018 seinen Posten behalten.8 Aufgegeben hat er ihn schließlich am 15. Januar 2020, als Putin überraschend eine Reihe von Verfassungsänderungen angekündigt hat. Die Hintergründe für den darauf folgenden Rücktritt der gesamten Regierung blieben unklar, jedenfalls wurde eigens für Medwedew der Posten des stellvertretenden Vorsitzenden des Sicherheitsrates geschaffen. Zum neuen Premierminister ernannte der Präsident Michail Mischustin.
Aktualisiert am 23.01.2020